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Kirchenvorsteher im Gespräch


3. März 2021

Interview mit Carsten Weigelt, Kirchgemeinde Pausa

Pfr. Sörgel: Herr Weigelt, Ihr Vater und Ihr Großvater waren bereits Kirchenvorsteher. Sie sind also mit der Kirche groß geworden. Was ist ihre früheste Erinnerung an Kirche?

Herr Weigelt: Spontan – der ernste Blick mit dem mich Pfr. Hauswald – ein Freund meiner Großeltern – einmal über den Gartenzaun aus dem Pfarrgarten anschaute, ist mir im Gedächtnis geblieben. Und natürlich die Konfirmandenprüfung damals noch öffentlich – verbunden mit einem liebevollen Blick von Pf. Zaumseil. Immer hat mich aber auch die Kirche als Gebäude beeindruckt. Ich mag unsere Kirche. Diese Eindrücke füllten sich dann auch mit Leben und Erfahrungen von Gemeinschaft: Krippenspiel, Spielgemeinde, die Konfirmandenzeit, das Geläut der Glocken, die Kirchenfenster mit ihren Geschichten …

Pfr. Sörgel: Nicht wenige kehren nach der Konfirmation dem kirchlichen Leben erst einmal den Rücken zu. Was hat Sie zum Bleiben veranlasst?

Herr Weigelt: Ich denke, es war vor allem die Erfahrung von Gemeinschaft. Ich begann früh schon als Kind in der Spielgemeinde und im jugendlichen Erwachsenenalter im Jugendchor. Irgendwann beschäftigte ich mich tiefergehend mit den Inhalten der Stücke. Ich fing an, die Bibel mit anderen Augen zu lesen. Das geweckte geistliche Interesse führt mich bis zum Kirchlichen Fernunterricht, den ich im Moment absolviere und spätestens 2023 abzuschließen versuche.

Pfr. Sörgel: Machen wir einen zeitlichen Sprung. Ihr Weg hat Sie von Konfirmation und Spielgemeinde – wo Sie immer noch sind – bis in den Kirchenvorstand geführt. Was hat Sie zur Kandidatur bewogen?

Herr Weigelt: Im Verlauf der Jahre ist aus meiner Auseinandersetzung mit Kirche und Glaube ein persönliches Anliegen erwachsen. Ich habe Kirche als einen wertvollen Raum erfahren. Dabei denke ich vor allem an die Zeit der Wende zurück, in der die Kirche den Menschen ermöglichte, ihre Gedanken frei zu äußern, angestaute Wut zu kanalisieren und den Frieden zu bewahren. Diesen Raum möchte ich für andere bewahren und weitergestalten. Das Vorbild meines Vaters hat mir gezeigt, dass man im Kirchenvorstand tatsächlich etwas bewegen kann. Der Weggang von Pfr. Pierel und die neue Struktur des Kirchspiels erfordern die Übernahme von Verantwortung.

Pfr. Sörgel: Hier und da ist schon deutlich geworden, wo Ihre Begabungen und Tätigkeitsfelder liegen. Können Sie das noch präziser ausdrücken: Was ist Ihr konkretes Anliegen? Wo möchten Sie sich einbringen?

Herr Weigelt: Neben der Spielgemeinde, Chor und Posaunenchor bringe ich mich bei den Gottesdiensten ein. Ich schätze durchaus die Liturgie, aber um die Menschen unseres Umfeldes zu erreichen, suche ich immer wieder auch neue Formen und Worte in der Gottesdienstgestaltung. In allem schwingt gewiss auch ein missionarisches Anliegen mit. Aber ich will niemanden etwas überstülpen, sondern auf eine natürliche unabgehobene Art für das begeistern, was ich selbst als außerordentlich wertvoll erlebt habe – für das ich „brenne“.

Pfr. Sörgel: Kann dafür auch das neue Kirchspiel eine Chance sein?

Herr Weigelt: Das wird man sehen müssen. Hier tue ich mir etwas schwer… Aber positiv finde ich, dass neue Möglichkeiten entstehen. Dass wir neue Leute aus den beteiligten Kirchgemeinden kennenlernen, finde ich toll und ermutigend. Wenn wir im größeren Kreis zusammensitzen, entstehen auch ganz andere Dynamiken. Sollte es uns gelingen, Kernzentren und Arbeitsschwerpunkte zu schaffen, kann sich das für die kirchliche Arbeit sehr vorteilhaft auswirken. Ich würde hier auch noch mehr Kanzeltausch anregen.

Pfr. Sörgel: Der Grund für die strukturelle Neuausrichtung ist der Mitgliederschwund. Teils ein Generationenproblem, teils durch Austritte bedingt. Was würden Sie jemanden sagen, der aus der Kirche austreten will?

Herr Weigelt: Man müsste natürlich wissen, was der genaue Grund ist: Geld, persönliche Enttäuschungen… Wenn jemand aus der Kirche austreten will, ist meist im Vorfeld und auch über einen langen Zeitraum etwas kaputt gegangen. Vielleicht würde ich versuchen, dem Betreffenden etwas von meiner Begeisterung zu vermitteln und darauf aufmerksam machen, was verloren geht, wenn er der Kirche den Rücken zuwendet. Ich würde ihm raten, sich doch lieber einzubringen – auch verändernd, statt einfach zu gehen. Vermutlich bräuchte die betreffende Person jemanden, der ihm wieder glaubhaft vermitteln könnte, dass Kirche und vor allem aber Gemeinde wieder einen wichtigen Lebensmittelpunkt darstellen kann.
Aber unsere Situation ist schwer. Ich weiß selbst oft nicht mehr genau, wofür Kirche wirklich brennt. Dazu kommt die mediale Demontage in unseren Tagen.

Pfr. Sörgel: Wo steht nach Ihrer Meinung die Kirche heute?

Herr Weigelt: Am ehesten wohl in einer Findungsfase. Ich schätze die Kirche auf Grund ihrer institutionellen Verfasstheit. Wenn es ihr gelänge, den Willigen und Suchenden wirklich Heimat zu geben und Gemeinschaft zu stiften, dann könnte aus dieser Kernkompetenz ein Weg in die Zukunft möglich werden.

Pfr. Sörgel: Sie blicken also hoffnungsvoll in die Zukunft!

Herr Weigelt: Ja, unbedingt. Gewiss ist dazu auch eine Erneuerung des Predigtamtes nötig. Die Predigt sollte in das Leben der Menschen hineinsprechen und zugleich tiefgründige Schriftauslegung sein. Wenn Kirche ihre Strahlkraft wiederentdeckt, wenn sie es schafft, am Puls der Zeit zu bleiben, ohne sich selbst zu verraten, und wenn sie ihre eigenen Ziele mit neuer Leidenschaft verfolgt – ich werfe mal das Stichwort „Pazifismus“ ein – dann wird es ihr auch in Zukunft gelingen, Menschen zu begeistern.

Pfr. Sörgel: Herr Weigelt, ich danke Ihnen für das offene Gespräch und wünsche Ihnen Gottes Segen für Ihr Engagement im KV.