Kirchenvorsteher im Gespräch
12. März 2021
Interview mit Katja Diederich, Kirchgemeinde Rosenbach
Pfr. Sörgel: Frau Diederich, Sie haben von klein auf das kirchliche Leben der damals noch eigenständigen Kirchgemeinde Rodau miterlebt. Woran erinnern Sie sich noch und was hat Sie geprägt?
Frau Diederich: Wenn ich an meine Kindheit und Jugend in Rodau denke, dann kommen mir vor allem die Kurrende, der Flötenkreis und die Jugendnachmittage in den Sinn. Annegret Pape, die Frau von Pfr. Pape, war Kantorin und verstand es, mit uns Kindern zu arbeiten. Dabei kam es nicht so sehr auf das perfekte Musizieren an, als vielmehr darauf, alle mitzunehmen und ein Gefühl von Gemeinschaft zu stiften. Diese Erfahrung begleitet mich seither.
Pfr. Sörgel: Und auch die Liebe zur Musik ist Ihnen geblieben. Sie singen im Chor, der nun schon seit Monaten wegen Corona pausieren muss. Was Ihnen seit der Jugend das Wichtigste war, darauf müssen Sie derzeit verzichten. Wie gehen Sie damit um?
Frau Diederich: Der Kirchenchor in Rodau, wird seit 20 Jahren von Matthias Gantke geleitet, einem freiberuflichen Musiker. Ich sehne mich danach, dass der Chor und die kirchenmusikalische Arbeit wieder anfangen können. Ich vermisse die Gemeinschaft, die wir dort leben und die unzähligen Gelegenheiten, Menschen mit dem gesungenen Wort Gottes zu erfreuen oder zu trösten. Die Chorprobe am Freitag war fest in meinen Wochenalltag eingetaktet. Da ist Freiraum entstanden – nicht nur bei mir. Ich bin gespannt auf die Wiederaufnahme der Proben. Corona hat die Menschen verändert.
Pfr. Sörgel: Sie sind seit etlichen Jahren im Kirchenvorstand tätig. Nun ist es eine Sache, in einem Chor zu singen, im Kirchenvorstand eine Kirchgemeinde zu leiten und deren Tun zu verantworten ist aber nochmal eine andere Hausnummer. Wie kam es dazu?
Frau Diederich: 2002 fragte mich meine Patentante, Frau Spörl, ob ich mir nicht vorstellen könnte, im Kirchenvorstand mitzuwirken. Frau Spörl war für mich immer ein Vorbild gewesen, und dass ich gefragt wurde erfüllte mich auch etwas mit Stolz. Die Familie hat mir Unterstützung für die zusätzliche Aufgabe zugesichert. So habe ich mich für das Amt entschieden.
Pfr. Sörgel: Das ist 18 Jahre her. Nun sind Sie in der vierten Wahlperiode im KV. Was hat das mit Ihnen gemacht?
Frau Diederich: Man braucht eine gewisse Zeit, bis man die Abläufe der kirchlichen Arbeit und Verwaltung versteht. Vieles hatte ich mir anders vorgestellt. Kirche ist eben auch eine Institution mit Gesetzen und Regelwerk. Aber mit der Zeit wächst man rein. Ich denke, ich bin auch innerlich gewachsen. Die Tätigkeit im KV und für die Kirche hat meinen Glauben gefestigt und macht mir Freude.
Pfr. Sörgel: Nun gibt es in der Kirche viele unterschiedliche Arbeitsfelder. Wo sehen Sie Ihre Begabungen? Wie bringen Sie sich am liebsten ein?
Frau Diederich: Ich würde mal sagen, dass ich pflichtbewusst bin, aber nicht gerne im Rampenlicht stehe. Neben der Kirchenmusik, die mir durch die Jahre im Chor am Herzen liegt, bringe ich mich lieber dezent im Hintergrund ein. Rund um die Kirche und die Kirchgemeinde gibt es immer etwas zu tun und nicht jede Arbeit ist immer einer bestimmten Person zuzuordnen. Dabei braucht es viele Helfer. Wichtig wäre mir auch der weitere Aufbau der Kinderarbeit, da gibt es in Rodau noch Luft nach oben. Immer weniger zieht es in die Kirche / zum Gottesdienst – das zu sehen tut auch weh.
Pfr. Sörgel: Ich denke, so geht es vielen Orten. Ob sich die Zusammenarbeit im Kirchspiel positiv auf das Gemeindeleben auswirken kann – was meinen Sie?
Frau Diederich: Ich war von Anfang an ein Befürworter des Zusammenschlusses, schon aus meiner persönlichen Erfahrung heraus. Rodau beispielsweise hatte seit 1998 keinen eigenen Pfarrer mehr und kam dann zu Leubnitz. Das war keine schlechte Erfahrung. Ähnliches erlebte ich später, als verschiedene Gemeinden zur KG Rosenbach zusammenfanden. Das Kirchspiel ist für alle eine Chance; eine Möglichkeit der Horizonterweiterung und der Begegnung. Gewiss, ältere Gemeindeglieder werden wohl den Bezug zum eigenen Kirchturm vorziehen, das soll bewahrt werden; aber ich gehe auch gerne einmal woanders hin. Es kann nicht mehr alles überall angeboten werden. Persönlich würde ich mich freuen, wenn etwa die Pausaer Spielgemeinde einmal in Rodau auftreten würde.
Pfr. Sörgel: Auch wenn der Blick auf die Zahlen uns nicht bestimmen sollte, aber die Kirchenaustritte sind einfach ein Zeichen unserer Zeit, um das wir nicht herumkommen. Wie beurteilen Sie das?
Frau Diederich: Ich kann es nicht nachvollziehen, weil ich die Gemeinschaft in der Kirche um nichts missen möchte. Es tut weh, wenn jemand austritt, aber es ist wohl unvermeidlich. Ich bin kein Freund von Überredungsversuchen. Man muss Menschen auch ziehen lassen können. Allerdings sollte, wer austreten will, immer bedenken, dass im Gegensatz zum schnellen und unkomplizierten Austritt, es wesentlich mehr eigene Überwindung und Größe verlangt, wieder einzutreten.
Pfr. Sörgel: Damit wäre unser Gespräch beim Thema „Kirche“ im Allgemeinen angelangt. Wie nehmen Sie die Lage unserer Kirche in der Gesellschaft wahr und mit welchen Gefühlen blicken Sie in die Zukunft?
Frau Diederich: Irgendwie ist Kirche nicht mehr sehr präsent in der Gesellschaft und in der Öffentlichkeit. Vielleicht täte es uns gut, in manchen Fragen wieder klare Positionen zu beziehen. Ich beobachte, was auch sonst wahrgenommen wird: Da findet ein gewisser Traditionsabbruch statt. Das Verständnis für unsere eigene Geschichte geht verloren. Christliche Feste werden schleichend ersetzt, z. B. durch Halloween. Werte mit einer langen und bewährten Geschichte werden leichtfertig in Frage gestellt. Wir erziehen unsere Kinder nach christlichen Werten und vermitteln ihnen Traditionsbewusstsein. Denn schließlich möchten wir als christliche Gemeinschaft einen gefestigten Standpunkt nach außen vertreten. Vielleicht mangelt es in unserer Gesellschaft an Vorbildern, so wie ich sie selbst in meiner Jugend hatte; Menschen, die von Gott begeistert sind und andere mitziehen können.
Pfr. Sörgel: Ihr Wort in Gottes Ohr! Haben Sie herzlichen Dank für das offene Gespräch. Viel Kraft und Freude bei Ihrem Wirken im KV und in der Kirchgemeinde!