Weihnachten
Ein wunderschönes Bild für die Ankunft des Erlösers hat der Liederdichter Daniel Sudermann (17. Jh) uns in dem Lied „Es kommt ein Schiff geladen“ (Evangelisches Gesangbuch Nr. 8) hinterlassen.
Auch wenn die Ankunft eines Schiffes kaum noch zu unseren alltäglichen Erfahrungen gehört, so kennen wir diese Vorstellung doch aus Kunst und Film. Große Schiffe, früher noch mit Segel, nähern sich langsam dem Hafen. Nebel umkleidet die Szene, weil eine Ankunft immer mit einem Geheimnis umgeben ist. Am Ufer wartet eine Menge auf das Eintreffen des Unbekannten. Wo mag das Schiff herkommen? Was hat es wohl geladen? Was verheißt seine Ankunft?
Sudermann hat um die 2.500 Lieder gedichtet. Dieses scheint mir das wohl gelungenste. Seine Strophen und Anspielungen sind voll theologischer Dichte. Die ganze Heilsordnung (ordo salutis) hat er in das Bild gepackt.
Mit dem im Hafen ankommenden Schiff wird erstens zum Ausdruck gebracht, dass Christus wirklich aus einer anderen Welt kommt. Die göttliche Liebe (Segel) und der Heilige Geist (Mast) lenken und treiben das Schiff voran. Keine Gefahr wird gescheut. Zweitens wird angedeutet, dass eine Ankunft mit allen Konsequenzen geschieht. Der Heiland lässt sich ganz auf unsere Wirklichkeit ein. Er Ankert. Er betritt das Land unserer Sorgen und menschlichen Konstitution. Das Schiff ist gekommen, um zu bleiben.
Ab der vierten Strophe öffnet sich die Bildebene zur geschichtlichen Wirklichkeit. Aus der Ankunft des Schiffes wird die Begegnung des Menschen mit dem Erlöser. Jesus selbst ist die Ladung. Wer ihn empfängt, dessen Leben verwandelt sich in etwas Neues. Die Nachfolger Jesu nehmen Teil an seiner Geschichte. Nun wird – in der Sprache des Apostels Paulus – von der Notwendigkeit des Mitleidens und Mitsterbens gesprochen. So wird schon an Weihnachten der Blick auf Karfreitag und Ostern gerichtet. Das eine gibt es nicht ohne das andere. Die Ankunft des unschuldigen Kindes – die in der populären weihnachtlichen Folklore oft zu sehr verniedlicht wird – darf uns nicht über den Ernst der damit verbundenen göttlichen Heilsabsicht hinwegtäuschen.
Sudermann wünscht uns damit ein Weihnachten, mit dem es uns schon ernst sein muss, damit wir es würdig begehen können; auch wenn wir uns in diesen Tagen vor allem dem Staunen und der fröhlich-freudigen Empfang des Gottessohnes hingeben dürfen.
In diesem Sinne – uns allen gesegnete Weihnachtstage!
