Trinitatis
Die Zeit ab dem ersten Sonntag nach Pfingsten bis zu den letzten Sonntagen des Kirchenjahres nennen wir Trinitatis, oder die Trinitatiszeit. Während die christlichen Hochfeste wie Weihnachten und Ostern sich großer Bekanntheit erfreuen, tun wir uns mit dem Fest der Dreifaltigkeit und den Sonntagen nach Trinitatis schwerer. Die einzelnen 21 bis 24 Sonntage (abhängig vom Osterdatum), die diesen langen Zeitraum des Kirchenjahres umfassen, sind einer Vielzahl teils sehr unterschiedlicher Themen gewidmet. Man nennt diese Sonntage daher auch Ideenfeste.
Trinitatis (der Genetiv von trinitas) ist aus den lateinischen Worten tria (drei) und unitas (Einheit) zusammengesetzt. Auf Deutsch sind dafür die Begriffe Trinität oder Dreifaltigkeit gebräuchlich. Wir bezeichnen damit die christliche Lehre vom Glauben an den „einen Gott in drei Personen“, wie sie auf dem Ersten Konzil von Konstantinopel 381 n. Chr. im Begleitbrief an die Bischöfe erstmals formuliert und festgehalten wurde:
„Dabei wird eindeutig an die eine Gottheit, eine Macht und ein Wesen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes sowie an ihre gleiche Ehre und Würde und gleichewige Herrschaft, in drei vollkommensten Hypostasen, das heißt drei vollkommenen Personen, geglaubt.“
Auch wenn die Lehre von der Dreifaltigkeit Gottes in unseren Tagen kaum auf größeres Interesse stößt, so darf sie auf keinen Fall unterschlagen werden. Eine Grundkenntnis ihrer Bedeutung gehört unbedingt zum mündigen Christsein dazu. Denn in ihr kommt das Besondere des christlichen Glaubens, gerade auch im Vergleich zu anderen Religionen, zum Ausdruck. Die große Bedeutung der Trinität wird schon allein an dem langen und intensiven Prozess ihrer Ausformulierung ersichtlich; den wir hier freilich nicht entfalten können. Aber es kann uns heute nicht gleichgültig sein, worum unsere Väter im Glauben so ernsthaft gerungen haben.
Einer der Wege, sich mit der göttlichen Trinität zu befassen, führt über die christliche Kunst. Anfang des 15. Jh. hat der orthodoxe Mönch Andrej Rubljew eine „Ikone der heiligsten Dreifaltigkeit“ geschaffen, die zu den bekanntesten und schönsten malerischen Darstellungen der Trinität gehört. Lassen wir uns auf einen Moment der Kontemplation ein:

Die bildliche Darstellung der Trinität durch drei einander ähnliche Männer geht auf die Abrahamsgeschichte im Alten Testament zurück (Gen. 18). Schon früh hatte man in der Begegnung Abrahams mit jenen drei mysteriösen Figuren eine Vorschattung auf die Trinität gesehen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Teile dieser Begegnung als Gespräche mit dem einen HERRN erzählt werden.
Rubljew hat in seiner Darstellung verschiedene Ebenen aufgenommen. Neben der vordergründigen Darstellung des biblischen Berichtes vom Besuch jener drei Männer, erscheint wie auf einer zweiten Ebene das Ganze der Heilsgeschichte. Die Eiche von Mamre, bei der Abraham wohnte, wird zum Baum des Lebens. Der angedeutete Fels (rechts hinten) stellt den Kosmos dar. Das Zelt des Erzvaters (links hinten) bekommt Konturen eines Gotteshauses, das an den Tempel und die spätere Kirche erinnert. Das in der Erzählung zubereitete Mahl wird als eucharistischer Kelch sichtbar.
Die dritte Ebene der Darstellung nimmt die Zuordnung und Haltung der göttlichen Figuren in den Blick. Zu der „äußeren“ Geschichte Gottes mit uns Menschen, der ökonomischen Trinität, tritt also die Beziehung der drei göttlichen Personen untereinander, die immanente Trinität. Mit anderen Worten: Zu dem Wirken Gottes in Zeit und Geschichte als Schöpfer, Erlöser und Vollender, tritt das ewige Verhältnis der Gottheit zu sich selbst.
Wir können nur Gottes Handeln in der Welt erkennen und nicht die Gottheit an sich. Wenn unser Glaube aber keine Spiegelung oder Reflex unseres eigenen Bewusstseins sein soll, muss das Wirken der göttlichen Personen einen Rückschluss auf das Wesen Gottes selbst ermöglichen.
Ein Gott in drei Personen, gleich an Macht, Ehre, Würde und Herrschaft – das findet in der gegenseitigen Zuwendung der drei Figuren seinen Ausdruck. Alle drei halten das gleiche göttliche Zepter ihrer Herrschaft in der Hand. Sie bilden in ihrer Zuordnung sowohl ein Dreieck – als Ausdruck ihrer Gottheit – wie auch einen Kreis, als Zeichen der Geschlossenheit und Vollkommenheit.
Sowohl was die genaue Bedeutung der Hand- und Fußhaltungen betrifft, wie bezüglich der Zuordnung der einzelnen Figuren zu den göttlichen Personen von Vater, Sohn und Heiligen Geist, gibt es bei den Interpreten der Ikone unterschiedliche Auffassungen. Wir folgen dem Zeugnis des hl. Stefan von Perm und erkennen in der Mitte den Vater, zu seiner Rechten den Sohn und zu seiner Linken den Heiligen Geist.
Verweilen Sie gerne noch auf der Darstellung und folgen sie den Blicken, den Gesten der Hände und Füße…
Auch wenn der Zugang zum Thema der göttlichen Dreifaltigkeit schwierig erschient, so muss deren Bedeutung für unseren Glauben unbedingt festgehalten werden. Die entscheidenden Einsichten können so resümiert werden:
- Wir haben es in der Begegnung und in dem Wirken aller drei göttlichen Personen wahrhaftig mit dem einen und ewigen Gott selbst zu tun.
- Die Vielheit ist von Ewigkeit her in dem einen Gott angelegt. Offenbarung muss als ein Heraustreten Gottes aus sich selbst verstanden werden. Das ist der Ursprung der göttlichen Liebe, wie sie in der Beziehung des Sohnes zum Vater sichtbar wird. Wir sagen „Gott ist Liebe“ und nicht „Liebe ist Gott“. Das Liebesgebot ist im ewigen Wesen Gottes selbst begründet.
- Bei aller Betonung und Wertschätzung der göttlichen Trinität muss doch auch festgehalten werden, dass wir nicht an die Trinität glauben, sondern an den einen Gott, der uns im Vater, im Sohn und im Geist begegnet. Die Lehre von der Trinität handelt von der Struktur unseres Glaubens und von den Voraussetzungen der Gotteserkenntnis, sie ist aber nicht das Objekt unseres Glaubens.